Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gedenkens in der Ruine der Synagoge in Homburg. Foto Thorsten Wolf
Eine würdige Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Reichspogromnacht von 1938 und an die Opfer des Nationalsozialismus wurde am gestrigen Mittwoch, 9. November 2022, in der Protestantischen Stadtkirche sowie der Ruine der Synagoge durchgeführt. Veranstalter waren die christlichen Kirchen in Homburg, das Kinder- und Jugendbüro sowie das Stadtarchiv der Stadt Homburg.
Mit der Gedenkveranstaltung sollte an das schlimme Geschehen der Reichspogromnacht erinnert werden, als in ganz Deutschland Synagogen geschändet, Wohnungen und Geschäfte jüdischer Bürgerinnen und Bürger verwüstet und in Brand gesteckt wurden. Es folgten Deportation und Ermordung. Auch in Homburg blieben jüdische Familien nicht davon verschont.
Pfarrerin Petra Scheidhauer führte wie in den vergangenen Jahren durch das Gedenken und leitete nach der Begrüßung der Besucherinnen und Besucher zu Beiträgen der AG Geschichte bzw. des Seminarfachs des Saarpfalz-Gymnasiums über. Die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums führten nach einer kurzen Einführung zwei Filme vor. Der erste Film behandelte die Gedenkorte in Homburg, die im Rahmen der APP-Gestaltung im letzten Jahr als „Orte der Erinnerung“ dargestellt wurden und stellte zum Abschluss die Frage, ob es genug Orte des Gedenkens in Homburg gäbe.
Die drei Schülerinnen referierten, dass es nicht genug sein könne und es zusätzlich zu einem zentralen Mahnmal wichtig sei, dass man auch im Alltag immer wieder erinnert wird, sozusagen über das Thema „stolpert“. Deshalb sei es ihnen wichtig, dass in Homburg Stolpersteine verlegt werden. Dafür setzt sich die AG Geschichte ein. In einem zweiten Film wurden Frau Rockenbach und Alfons Seiler als Zeitzeugen interviewt. Auch die Stolperstein-Verantwortliche aus Heidelberg kam zu Wort. Passend zu diesem Thema teilte die Partnerschaftsbeauftragte Simone Lukas dieser Tage mit, dass auch in der Homburger Partnerstadt La Baule Ende März dieses Jahres neun Stolpersteine zum Gedächtnis für die beiden jüdischen Familien Besso und Fisher, die im Juli 1942 verhaftet wurden, verlegt wurden.
Anschließend stellte Pfarrerin Scheidhauer den Hauptredner Werner Hillen näher vor. Er ist Landesvorsitzender des Volksbundes im Saarland, ehemaliger Lehrer und Träger der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
In seinem Redebeitrag ging Hillen maßgeblich auf die Erfahrungen ein, die eine Gruppe junger Menschen sowie Schülerinnen und Schüler bei einer Bildungsfahrt nach Auschwitz im Jahr 2021 gemacht hat. Mit teils sehr deutlichen und harten Worten beschrieb er die Empfindungen der jüdischen Menschen, wenn sie nach drei Tagen Anfahrt im Viehwaggon ohne Toilette, ohne Wasser in Auschwitz ausgetrieben wurden. Auch von den Hoffnungen bei der Ankunft und dem heimtückischen Vergasen in den Gaskammern berichtete er in seiner Ansprache. Aussagen wie „Man sieht noch heute die Rillen kratzender Fingernägel im Beton der Wände der Gaskammern“, machten sehr betroffen. Aus dieser Betroffenheit heraus erstellte die Gruppe die Ausstellung „Auschwitz“, die noch bis zum 25. November 2022 im Rathaus gezeigt wird.
Auch eine Konfirmanden-Gruppe der evangelischen Kirchengemeinde Bruchhof-Sanddorf beteiligte sich an der Gedenkveranstaltung. Die Konfirmanden befassten sich in diesem Jahr mit dem Thema koscheres Essen. Sie erläuterten, was koscher und was unkoscher, also „treife“, ist. Sie gingen auf Lebensmittelgruppen wie Fleisch, Fisch und Milchprodukte ein und stellen fest, dass Vegetarier es in Bezug auf jüdisches Essen am einfachsten hätten, da alle vegetarischen Produkte per se koscher sind. Zum Schluss verrieten sie noch das Rezept für Shakshuka, ein köstliches israelisches Gericht aus Eiern und Gemüse.
Zwischen den einzelnen Reden und Beiträgen vermochten es Marie Luise Liebel und Markus Lein mit Orgel und Violine die Veranstaltung mit sehr unterschiedlichen Musikstücken wunderbar passend zu begleiten. Nach ihren Schlussworten lud Pfarrerin Scheidhauer die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem Schweigegang zur ehemaligen Synagoge ein.
Dort sprach Barbara Spaniol für die Stadt zum Abschluss des Gedenkens. Sie dankte zunächst allen Beteiligten herzlich im Namen der Stadt und von Bürgermeister Michael Forster für die Teilnahme an der Veranstaltung und nannte die eindrucksvollen Beiträge einen unverzichtbaren Baustein für das würdevolle Gedenken an die schlimmen Ereignisse vom 9. November 1938.
Barbara Spaniol ging auch darauf ein, dass die Zahl der Zeitzeugen dieser furchtbaren Ereignisse von Jahr zu Jahr abnehme und es daher immer wichtiger werde, dass wir alle uns damit beschäftigen und uns um die Erinnerung kümmerten. Sie erinnerte sich besonders an die Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Reichpogromnacht hier in Homburg. Sie dankte auch Werner Hillen für sein Engagement und die Fahrten mit jungen Menschen nach Auschwitz und wies auf die aktuelle Ausstellung im Rathaus hin.
„Gerade in den Zeiten, in denen wir wiederum einen unsinnigen und abscheulichen Krieg in der Ukraine erleben, mitten in Europa … gerade in diesen Zeiten müssen wir uns bewusst machen, wie wichtig es ist, dafür einzutreten, in Frieden und ohne Hass leben zu können“, sagte sie.
Veröffentlicht am: 11.11.2022 | Drucken